BÖRSEN-ZEITUNG | 10.08.2021

,,Das muss verwirklicht werden''

 

Fondsinitiator Grossmann finanziert mit Vorsorgekasse Gebäude für Alternativschule in Köln - Die Rendite kommt nicht zu kurz.

Grüne Anlagen gibt es heute viele. Doch wird deren nachhalti­ge Wirkung auch gemessen? Diesen Anspruch erhebt das Im­pact lnvesting. Die Fondsgesell­schaft NEXT Generation lnvest will mit der Finanzierung eines Schulgebäudes in Köln die Chan­cen benachteiligter Schüler und Schülerinnen verbessern, ver­folgt aber auch konkrete ökolo­gische Ziele.

In ein Schulgebäude investieren, ist ein durchaus lobenswertes Unterfangen. Aber springt dabei neben der ideellen Rendite auch eine mate­rielle heraus? Ja, beides, sagen die Geldgeber für den Neubau des Schulgebäudes der Offenen Schule Köln (OSK). ,,Wir wollen wirkungs­gerecht in Immobilien investieren", betont Oliver Grossmann, Gründer und Geschäftsführer NEXT Generati­on Invest, im Gespräch mit der Bör­sen-Zeitung. Es geht also um lmpact Investing. ,,Wir machen uns Gedan­ken über die Wirkungsketten unse­rer Investments: Was können wir be­wirken auf gesellschaftlicher Ebene, wenn wir in eine solche integrative Bildungseinrichtung investieren?", ergänzt Sophie Kazmierczak, Leiterin des Bereichs Impact und Sustai­nable Finance, bei der Investmentge­sellschaft.


Seit Sommer 2018 dabei

Grossmann wurde im Sommer 2018 auf das Projekt angesprochen. Er war bald vom Schul- und Gebäu­dekonzept überzeugt. ,,Für mich war klar: Das muss verwirklicht wer­den." Grossmann wollte mit seinem Fonds aber erst einsteigen, wenn das Schulgebäude fertiggestellt ist. Es musste also zuvor eine Projektfinan­zierung her. Dazu wurde ein Paket geschnürt. Zuerst kauften die Initia­toren, engagierte Kölner Bürger, das Grundstück, auf dem das Gebäude errichtet werden sollte. Grossmann nutzte seine Kontakte zu Markus Zeilinger, Gründer und Vorstands­vorsitzender der Fair-Finance Vor­sorgekasse in Wien. Der stellte rund 4 Mill. Euro Mezzaninekapital zur Verfügung. Mit der Zusage von NEXT Generation Invest, das fertige Schul­gebäude zu kaufen, gelang es, zwei regionalen Banken für einen Konsor­tialkredit von 36Mill. Euro zu ge­winnen. Damit stand das Projekt und der Bau konnte begonnen wer­den.
Dem Einstieg sowohl von Zeilingers Vorsorgekasse als auch Gross­manns Fonds gingen umfangreiche Prüfungen voraus. ,,Wir als nachhal­tiger Investor", so Zeilinger, ,,haben ein eigenes Immobilien-Rating ent­wickelt, das über die üblichen Zerti­fizierungssysteme, die auf Ener­gieeffizienz ausgelegt sind, hinaus­ geht und auch soziale oder ethische Aspekte berücksichtigt". Auf Basis der Planung erstellte ein gerichtlich beeideter Sachverständiger ein Vor­ Gutachten, nach Fertigstellung des Objekts folgt ein Endbericht, der mindestens gleich, möglichst aber besser aussehen sollte als der Vorbe­richt.
Zu den fast 100 Kriterien gehören der Standort, Energie- und Ressour­cenverbrauch, Baustoffe und soziale Aspekte. ,,Insgesamt ergab sich eine Ratingnote von 2,7." Zeilinger be­zeichnete dies als „Goldstandard", der eine Reduktion des Zinssatzes auf 5,5 % p. a. mit sich brachte - ein für Mezzaninekapital sehr niedriger Wert. Ursächlich dafür waren um­fangreiche Vorgespräche des Vorgut­achters mit den Bauherren, bei de­nen Maßnahmen wie neue Fenstersysteme und eine veränderte Dach­ isolierung besprochen wurden.
„Diese Verbesserungen konnten durch den reduzierten Darlehens­zinssatz zumindest teilweise refi­nanziert werden", so Zeilinger.
Bei NEXT Generation lnvest besteht der Prüfprozess aus zwei Teilen: ei­nem externen durch einen externen Dienstleister (Envirosustain) und ei­nem unternehmensinternen. ,,Der externe Dienstleister prüft jedes Ob­jekt mit Hilfe von mehr als 70 Indi­katoren auf seine ESG- und Impact­ Performance und erstellt zwei Scores: einen ESG und einen Impact Score", erläutert Kazmierczak. Die ökologische und die soziale Dimen­sion machen jeweils 40 o/o des Scores aus, Governance die restlichen 20 %. Ein Umweltindikator ist zum Bei­spiel der Kilowatt-Ausstoß pro Qua­dratmeter – liegt er unter einem be­stimmten Wert oder darüber? Oder: Wie weit ist die Immobilie vom ÖPNV entfernt? Weniger als fünf Gehminuten, zwischen fünf und zehn etc. ,,Die 70 Indikatoren wer­den anschließend den 17 UN-Nach­ haltigkeitszielen zugeordnet. Ansch­ließend wird bewertet, wie hoch der Beitrag dieses Indikators zu den Zie­len ist. Aus dem Zielerreichungsgrad der Indikatoren und dem festgeleg­ten Beitrag – unerheblich, niedrig oder hoch – wird anschließend der Impact Score abgeleitet."

Andere Akzente gesetzt

Der interne Ansatz von NEXT Gene­ration Invest basiert zwar auch auf einem Scoring-Ansatz, setzt aber an­dere Akzente. ,,Wir haben über 60 Indikatoren unter anderem zu Ge­bäudeeigenschaften sowie Nutzer­ komfort bzw. -zentrierung'', so Kaz­mierczak weiter. ,,Neben diesem Scoring versuchen wir den Impact über einen multidimensionalen An­satz abzudecken." Am Anfang stehe die Frage: ,,Welches Problem wollen wir lösen? Auf welche Wirkungsket­te zielen wir ab? Wir sehen Impact nicht auf Ebene der Immobilie allein, sondern wir wollen gesell­schaftliche Veränderungen herbei­führen." Für den Investor stellt sich die Frage: Welchen Mehrwert konn­te ich schaffen im Vergleich zu dem Zustand, wenn ich nicht investiert hätte?
Bei der Immobilienbewertung fließen auch Risiken ein – physische wie Klimarisiken, transitorische, die sich aus veränderten regulatori­schen Rahmenbedingungen erge­ben, aber auch das Impact-Risiko, al­so die Möglichkeit, dass sich der be­absichtigte Impact mit dem Zielob­jekt nicht erreichen lässt. Sind diese Risiken identifiziert, fragt Kazmier­czak: ,,Was können wir schon heute tun, damit dieses Risiko sich nicht materialisiert?" Die externe und un­sere interne Bewertung wird alle ein bis eineinhalb Jahre wiederholt, um zu wissen, wo die Immobilie in ihrer Entwicklung steht und welche wei­teren Verbesserungspotenziale ge­hoben werden können.
Für Kazmierczak zeigt die OSK, wie Impact Investing in der Praxis funktionieren kann. ,,Sie vermittelt qualitativ hochwertige Bildung mit Hilfe eines hoch individuellen Schul­konzeptes, das sich speziell auf sozi­al benachteiligte und förderungsbe­dürftige Kinder ausrichtet. Gleich­zeitig werden ökologische Faktoren in der Bauphase und in der Betriebs­phase berücksichtigt. Das ist der ganzheitliche Ansatz, von dem im­mer wieder gesprochen wird. Damit wird ein Beitrag zu einer chancenge­rechteren Zukunft für die nächste Generation geleistet. Deswegen fin­de ich das Projekt so spannend."
Wichtig ist Grossmann, dass er sich nicht nur als Kapitalgeber, sondern mit seinen Mitarbeitern auch aktiv in die Gestaltung des Schulge­bäudes einbringen kann. ,,Wir sind seit knapp drei Jahren in das Projekt involviert und haben die Nähe zu den Mietern und Nutzern gesucht und gefunden." Es habe sich ein sehr gutes Vertrauensverhältnis entwik­kelt. ,,Sonst hätten wir auch den Zu­schlag nicht bekommen. Denn die OSK hätte das Schulgebäude auch selbst behalten können." Aktives As­setmanagement und Stakeholder Engagement ist für Grossmann zen­tral, um Impact zu generieren. ,,Das machen wir bei all unseren Objek­ten, nicht nur der OSK." Die regel­mäßigen Gespräche mit dem Mieter, aber auch Schülern und Schülerin­nen und Lehrkräften dienten auch dazu, herauszufinden, wie zum Bei­spiel der Nutzerkomfort weiter er­höht oder der CO2-Fußabdruck des Gebäudes weiter verringert werden kann.
 

Kauf am 1. August 2022

Nach Fertigstellung kauft der NEXT Impact Fund, ein in Luxemburg do­mizilierter Fonds der NEXT Generati­on Invest das Schulgebäude zum 1.8.2022 und löst die Fremdkapital­geber ab. ,,50 % des Kaufpreises wird langfristig über Hypothekend­arlehen refinanziert, der Rest ist Ei­genkapital aus dem Fonds", sagt Grossmann. Den Konsortialkredit von 25 Mill. Euro vergeben zwei Banken je zur Hälfte. ,,Wir prüfen genau, wie ernst es die finanzierende Bank mit Nachhaltigkeit und Im­pact lnvesting meint."
Der „NEXT Impact Fund" hat aktu­ell rund 150 Mill. Euro Assets under Management und will bis Ende 2023 etwa 600 Mill. Euro erreichen.
„Schwerpunkte sind Bildung und bezahlbarer Wohnraum mit einer Al­lokationsquote von 80 bis 90 %." Die Objekte sollen in Deutschland und Österreich liegen und zwischen 25 und 70 Mill. Euro kosten. Die deut­schen und österreichischen Institu­tionellen müssen mindestens 5 Mill. Euro investieren, üblich sind zwi­schen 10 und 30 Mill. Euro. ,,Aktuell hat der Fonds sechs Investoren." Grossmann zeigte sich zuversicht­lich, dass er spätestens bis Mitte 2022 alle Eigenkapitalzusagen hat.
Der Fonds hat kein Ablaufdatum und will die Schule mehr als zehn Jahre im Portfolio halten. Die Net­to-Ausschüttung liegt bisher bei 4,5%. Die Fondsobjekte haben nur öffentliche Mieter mit Ausnahme der OSK, die sich aber über eine staatliche Grundlage refinanziert, das Ersatzschulfinanzierungsgesetz von Nordrhein-Westfalen. ,,Darüber werden 85 bis 89 % der Kosten abge­deckt, der Rest kommt über ein so­ziales Beitragsmodell rein."
Einen Mangel an passenden Ob­jekten konnte Grossmann bisher nicht feststellen. ,,Wir haben ein breites Netzwerk, über das wir unse­re Objekte bisher ohne Vermittler er­werben konnten." Immer mehr Pro­jektentwickler haben darüber hin­aus die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit erkannt und entwik­keln vermehrt nachhaltige Produkte.
,,Unsere Investitionspipeline mit Ob­jekten, in die wir kurzfristig investie­ren können, hat ein Volumen von 250 bis 300 Mill. Euro."
Für den Fondsgeschäftsführer wird Impact Investing die Investiti­onsform der Zukunft sein. Bei Aktien und Anleihen sei man in dieser Hinsicht schon weiter, bei Immobilien gebe es aufgrund ihrer zentralen Be­deutung im Leben der Menschen ein großes Wirkungspotenzial. Die Zahl der „dunkelgrünen" Immobilien­fonds nach Art. 9 der EU-Transpa­renzverordnung ist bisher aber noch sehr überschaubar. ,,Wir wollen Vor­reiter sein, Standards etablieren und qualitativer Marktführer beim Im­pact Investing in Immobilien wer­den."
 

Offene Schule Köln - Konzept
Die OSK ist eine staatliche anerkannte private sowie inklusive Grund- und Gesamt­schule für 650 Schüler•innen in Köln-Rodenkirchen. Sie bietet hochwertige Bildung für Kinder in einer individuellen Lernkultur – unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft sowie ihren körperlichen und geistigen Voraussetzungen. Der Neubau bietet offene Lernlandschaften, Großraumklassen mit persön­lichen Arbeitsplätzen, Ateliers, Forscher- und Experimentier­ecken und außerschulische Lernräume.

Offene Schule Köln (OSK)

Projekt: Neubau eines Schulgebäudes
1.    Investitionsvolumen: ca. 50 Mill. Euro
2.    Juli 2018 Gründung Projektgesellschaft OSK Bildung Sürther-Feli:I GmbR & Co. K!j
3.    Juni 2021 Next Generation lnvest GmbH kauft Projektgesellschaft
4.    Baubeginn des neuen Schulgebäudes: 30.10.2020
5.    Geplante Übergabe an Käufer „Next  Impact Fund": 1.8.2022

Projektfinanzierung:
1.    Eigenkapital für Grundstückskauf: unbekannt (Höhe vertraulich)
2.    Mezzaninekapital: ca. 4 Mill. Euro
3.    Fremdkapital: Konsortialkredit von zwei regionalen Banken: ca. 36 Mill. Euro

Langfristfinanzierung:
1.    Ablösung von Mezzanine- und Fremdkapital durch Ankauf des Objekts für 50 Mill. Euro durch den offenen Luxemburger

Spezial-Alf „Next Impact Fund"
2.    Mittelherkunft: ca. 50% Eigenkapital, ca. 50% Fremdkapital
3.    Hypothekendarlehen zweier Konsortialbanken-(zu je 12,5 Mill. Euro)

 

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