Immobilien Zeitung | 07.04.2022

Ein paar Mutige öffnen den Weg zu Impact-Fonds

 

Für Impact-Fonds braucht es Pioniere, die vorangehen und anpacken – allen offenen Fragen und Widrigkeiten zum Trotz.

Immobilienfonds mit positiver Wirkung auf die Umwelt oder auf soziale Bereiche dürfen sich mit dem Etikett „Artikel 9“ schmücken. Erst eine Handvoll Fonds erfüllt die Kriterien. Die meisten Anbieter zögern noch wegen unklarer Vorgaben und möglichen Renditeeinbußen. Alles Ausreden, sagen die, die das Abenteuer Artikel-9-Fonds wagen.

Mit der EU-Regulierung zum Nachhaltigkeitsreporting ist die Welt für die Anbieter von Immobilienfonds komplizierter geworden. 6, 8 oder 9 heißt die Frage, seit Fondsanbieter ihre Produkte in puncto Umwelt, Soziales und Governance (ESG) einstufen müssen. Wer sich bei Anlageentscheidungen nicht auf Nachhaltigkeitskriterien festnageln lassen möchte, klassifiziert seine Produkte nach Artikel 6 ein. Fonds, die nach Artikel 8 eingestuft sind, müssen Rechenschaft über die ökologischen und/oder sozialen Merkmale ablegen, mit denen sie werben.

Bei Artikel-9-Fonds darf der Vertrieb sogar mit nachhaltigen Investitionszielen werben. Dann aber müssen die Fondsmanager auch den Nachweis liefern, dass sie einen Mehrwert für Umwelt und Gesellschaft – oder beides – erbringen.


Viele Anbieter warten die finale Regulierung ab

Leicht macht die deutsche Finanzaufsicht BaFin das den Fondsmanagern nicht. Sie wirkt vor allem darum bemüht, auch den leisesten Verdacht von Greenwashing im Keim zu ersticken. Außerdem fehlen die Normen und Standards, was als „nachhaltiges Ziel“ gelten darf und was nicht. Auf eine einheitliche  Verwaltungspraxis warten die Fondsanbieter bis jetzt vergeblich. Weil noch keine harten Kriterien existieren, was genau ein Artikel-9-Fonds alles zu erfüllen hat, muss sich jeder sein eigenes Modell basteln.

Wer das trotz aller Widrigkeiten geschafft hat, ist mächtig stolz auf seinen Fonds. „Mit der Bafin hatten wir einen regen Austausch, sie war sehr streng mit uns und wollte alles ganz genau wissen. Das ging schon ein paar Mal hin und her. Deshalb sind wir stolz über Artikel 9 und empfinden die Vertriebsgenehmigung als Ritterschlag“, sagt Tanja Volksheimer, Senior Portfolio Manager Real Estate Europe bei Nuveen. Im März durfte Nuveen mit dem German Impact Living Fund starten. Peter Windmeißer, Leiter Portfoliomanagement Immobilien beim deutschen Fondsmanager KGAL, ist anzumerken, wie viel Vorarbeit und Hirnschmalz es braucht, auf eigene Faust ein wasserdichtes, gegen Greenwashing-Vorwürfe gefeites Produkt aufzusetzen. Immerhin gilt es, den Anlegern auf lange Sicht von zehn, fünfzehn Jahren eine wettbewerbsfähige Rendite zu liefern und zugleich messbar Gutes für Umwelt und Gesellschaft zu tun. „Einen Katalog, wo ich meine Häkchen machen kann, gibt es leider nicht“, bedauert Windmeißer.

Der Entwickler Assiduus setzt bei seinem 9er-Fonds Assiduus ESG – Urban Office I auf eine Mischung aus Bestandsgebäuden, die energetisch ertüchtigt werden, und Neubauten. Beim Erreichen des nachhaltigen Investitionsziels spielt technisch ausgefeilte Bautechnik eine große Rolle: Eines der ersten Fondsprojekte, ein Bürohaus in Berlin, wird vollständig in Holzbauweise errichtet und nicht als Holzhybrid, der wegen des Stahls und Zements schon wieder weniger gut fürs Klima wäre.

Hierfür wird der Bestandsbau, der aus den 1960ern stammt, komplett modernisiert und aufgestockt. In puncto Energieversorgung spielen eine Photovoltaikanlage auf dem Dach und Erdwärme eine Hauptrolle. „Das wird das größte private Geothermiefeld in Berlin nach dem Bundestag“, frohlockt Alexander Happ, Geschäftsführer von Assiduus Development.
„Der gesamte Komplex wird primärenergieneutral und zu 80% energieautark versorgt.“

Das S in ESG buchstabiert Assiduus über vergünstigte Mieten aus.
So soll ein Drittel der Flächen einer Quartiersentwicklung in Potsdam für 9 Euro/qm nettokalt an Künstler und Kreative vermietet werden – wie es in der Konzeptausschreibung der Stadt für das Areal bereits vorgesehen war. Auch bei den anderen Fondsobjekten in Berlin und Frankfurt werden kleinere Flächen zu geringeren Mieten, als sie der Markt wahrscheinlich hergäbe, vermietet.

Palmira begründet die Nachhaltigkeitswirkung seines ersten 9er Logistikfonds mit der Vermeidung zusätzlicher Flächenversiegelung. Der Palmira German Logistics Impact Fund kauft Core- und Core-plus-Gebäude teils sehr aktueller Baujahre. Durch Investitionen sollen diese klimaneutral werden, indem der Primärenergiebedarf um 30% gedrückt wird und u.a. durch Solaranlagen Energie gewonnen wird. Mit Smart Metern sollen allerlei Daten zum Energie- und Wasserverbrauch gesammelt, Investitionsentscheidungen priorisiert und deren Wirkung
gemessen werden.

Echte Überzeugungstäter sind auch Sophie Kazmierczak, Hannes Ressel und Oliver Grossmann, die Vorstände von Next Generation Invest. Ressel und Grossmann arbeiteten vorher fünf Jahre bei Europas größtem Sozialimmobilienmanager Primonial Reim Germany bzw. dessen deutscher Tochter Avia Rent Invest. Ihr Luxemburger Next Impact Fund hat bisher in vier Immobilien investiert. Er finanzierte den Bau einer inklusiven Gesamtschule in Köln und erwarb zwei Wohnanlagen für Studierende im bayerischen Hof und in Herford in Nordrhein-Westfalen. Die dortigen Hochschulen stellen den Studenten den Wohnraum kostenfrei bzw. gegen einen geringen Kostenbeitrag zur Verfügung. Mietvertragsparteien von Next Generation Invest sind die Stadt Herford und der Freistaat Bayern, die einen Nutzungsvertrag mit den Hochschulen vereinbart hatten. Der jüngste, vor wenigen Wochen getätigte Zukauf von Next Generation Invest ist ein Wohngebäude für Studierende und Geflüchtete mit rund 200 Einheiten in Frankfurt. Die Frankfurter Immobilie war zuvor wegen horrenden Mieten in die Schlagzeilen der Lokalpresse geraten.

Der vorherige Vermieter habe für kleine Zimmer mit ca. 15 qm um die 600, 700 Euro aufgerufen. Diese Einheiten vermietet Next Generation nun für 300 bis 350 Euro. Später sollen die Preise „moderat“ angehoben werden. Kazmierczak, Chief Impact and Sustainability Officer bei Next Generation Invest, beziffert die durchschnittliche Mietpreissenkung auf „mindestens 20% unterhalb des lokalen Schnitts für gehobene Wohnanlagen für Studierende“. Die Vergabe der Wohnungen soll von allerlei Faktoren abhängig gemacht werden: z.B. von einer Obergrenze beim Nettoeinkommen, vom Familienstatus, so sollenbeispielsweise Alleinerziehende bevorzugt werden, oder vom Beruf, Stichwort systemrelevant.

„Genehmigung fühlt sich wie ein Ritterschlag an“

Der Nuveen German Living Impact Fund legt den Fokus laut Portfoliomanagerin Volksheimer auf dringend benötigte „bezahlbare und angemessene Wohnungen“ für Menschen, denen im reichen Baden-Württemberg ein Wohnberechtigungsschein zusteht. Zwischen 50% und 100% der Wohnungen, die für den Spezialfonds German Living Impact Fund gekauft werden, sollen dieser Bevölkerungsgruppe vorbehalten sein. Was bedeutet, dass die Miete, die diese Personen zahlen, 33% unter der jeweils vor Ort üblichen Miete für Neubauwohnungen liegen muss. Maßstäbe sind der Mietspiegel oder Gutachten. Dafür, dass Nuveen garantiert, dass die Mieten für 30 Jahre unter dem Markt bleiben, bekommt der Investmentmanager entweder ein günstiges Darlehen oder einen Zuschuss.

KGAL hat sich bei seinem Produkt ebenfalls für eine Wohn-Strategie entschieden. Die Grünwalder schmieden gerade einen Artikel-9-Spezialfonds für geförderte, sozial gebundene Wohnungen in Europa. Das Luxemburger Vehikel richtet sich an europäische Investoren und will nicht nur in Deutschland, sondern auch noch in sieben weiteren Ländern investieren. Infrage kommen nicht nur Neubauten, sondern auch Bestandsgebäude, die auf energetisch höheres Level gehoben werden sollen. KGAL- Geschäftsführer Zücker ist überzeugt, mit der Erweiterung der Fondspalette seines Hauses den Nerv der Zeit zu treffen: „Die Nachfrage  nach Artikel-9-Fonds wird spürbar stärker, wir stehen am Beginn einer Welle.“

Das mag sein, ist aber am Markt noch nicht erkennbar. Bei den Anlegern hält sich die Nachfrage nach Artikel-9-Immobilienfonds bislang in Grenzen. „Die Institutionellen gehen das Thema ESG zunächst oft mit Wertpapierfonds an“, sagt Michael Schneider, Geschäftsführer der Service-Kapitalverwaltungsgesellschaft Intreal. Von den rund 70 Fonds, die Intreal in den letzten zwölf Monaten initiiert hat, trugen nur zwei das Etikett Artikel 9. Insgesamt gibt es nicht mehr als ein knappes Dutzend Impact-Fonds, wie eine Bestandsaufnahme der Immobilien Zei- tung zusammen mit der Ratingagentur Scope zeigt (siehe Tabelle „Mehr als zwei Hände voll sind es nicht“ auf dieser Seite).
So ambitioniert die Strategien der Artikel-9-Fonds aussehen: Nicht jeder am Markt lässt sich davon überzeugen. „Wenn man die Vorgaben ansieht, denkt man an einen hohen Standard.

Aber wenn man die bisherigen Produkte ansieht, stellt man sich schon die Frage, ob das alles tatsächlich befolgt wird“, sagt Christiane Conrads, Emea ESG Real Estate Leader bei PwC. Große Teile der Immobilienfondsbran che erwarteten erst einmal „mehr Klarheit bezüglich Artikel 9 - und dass deutlich schärfere Maßstäbe angelegt werden“, erläutert Conrads. Es sei zu befürchten, „dass die eine oder andere derzeitige Klassifizierung als Artikel-9-Fonds früher oder später zurückgenommen werden muss“.

Für so manchen Fondsmanager sei der Prozess vermutlich schlicht zu aufwendig, schätzt Christean Schmidt, Head of Sustainability beim Logistikspezialisten Palmira Capital Partners: „Die Abstimmung mit der Bafin im Vorfeld kostet Zeit und Geduld - davor scheuen viele Fondsanbieter zurück. Ich kann Ihnen Anekdoten von Fonds erzählen, deren Nachhaltigkeitskonzepte wirklich in der Luft zerrissen wurden.“ Christoph Strelczyk, auf ESG und Sustainable Finance spezialisierter Partner bei der Wirtschaftskanzlei GSK Stockmann, und seinen Kollegen sind Fälle bekannt, in denen die Initiatoren „bereits im Vorfeld aufgegeben bzw. ihre Ansprüche auf Artikel 8 oder 8 plus zurückgeschraubt“ haben.

Ein Kernthema der Diskussion ist die Behandlung energetischer Sanierungen im Bestand, verbunden mit der Frage: Taugen nur Neubauten und schon komplett durchsanierte Objekte für Artikel-9-Fonds? Garbe Industrial z.B. hat seinen jüngsten Logistikbrummer „ganz bewusst als Artikel-8- und nicht Artikel-9-Fonds“ konzipiert, wie CIO Jan Philipp Daun betont. „Wir werden bei unseren Investoren als aktiver Manager gesehen, der Core plus kauft, ältere Bestände, und sie fit für die Zukunft macht - das sind definitiv keine ESG-konformen Immobilien, die in einen Artikel-9-Fonds passen.“

Dem Vernehmen nach tendiert die Bafin inzwischen aber dazu, Manage-to-Green- Konzepte als Artikel 9 zu akzeptieren, „wenn man ein belastbares Konzept vorweisen kann, wie diese Gebäude innerhalb weniger Jahre auf ein energetisch anspruchsvolles Niveau gehoben werden“, wie ein Kenner der Materie berichtet. Die Bafin aber hält sich mit offiziellen, einheitlichen Vorgaben zurück – wie auch eine Anfrage der Immobilien Zeitung bei der Finanzaufsicht zeigt – und versäumt es so, im Markt für Klarheit zu sorgen.

Der reagiert entsprechend zurückhaltend. Manch großer Name aus dem Fondsbusiness hält lieber noch still, statt mit einem eigenen Impact-Fonds vorzupreschen. „Statt jetzt einen Schnellstart hinzulegen, warten wir lieber die finale Regulierung ab“, sagt Jan von Mallinckrodt, Head of Sustainability bei UIRE (siehe den Kommentar „Bestandssanierung sticht Artikel 9“ auf Seite 2).

Patrizia will ebenfalls noch abwarten, wie sich die Regulierung „weiterentwickelt und wie sie ausgelegt wird“. Das Unternehmen verzichtet daher bei seinem neuen Fonds Sustainable Communities (Sozialwohnungen, Kitas, Gesundheitseinrichtungen etc.) auf die Einstufung nach Artikel 9, obwohl der Fonds „eng an den nachhaltigen Anlagezielen von Artikel 9 ausgerichtet ist und die entsprechenden Reporting-Anforderungen erfüllt“.

Neunerfonds für den deutschen Markt scheinen derzeit überwiegend eine Domäne der kleineren Anbieter zu sein. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die konsequente Umsetzung einer wirkungsorientierten Anlagestrategie in großen Häusern nicht so einfach ist“, sagt Hannes Ressel von Next Generation Invest.

Dass Marktführer wie UIRE oder Patrizia immer noch abwarten wollen, bis die letzten Unklarheiten ausgeräumt sind, kann Gösta Ritschewald, Geschäftsführer der Assiduus- Schwestergesellschaft Assiduus Vermögensverwaltung, nicht nachvollziehen. „Das ist eine EU-Gesetzgebung, die einfach ins deutsche Recht überführt wird.“ Auch ökonomisch könnte sich weiteres Zögern als Bumerang erweisen, warnt Ritschewald.

„Artikel 9 ist kein Renditekiller“

Wer seine Immobilien in Fonds nach Arti- kel 8 oder gar 6 nachträglich auf 9er-Niveau hieven wolle, den komme das womöglich teurer zu stehen, als ältere Immobilien ohne Nutzer fit zu machen: „Wer versucht, die Gebäude im laufenden Betrieb taxonomiekonform zu machen, der wird nicht nur höhere Investitionen stemmen müssen, sondern auch auf den laufenden Cashflow verzichten müssen.“ Ritschewald verweist auf den Klimapfad, an dem sich die Investitionen der Immobilienmanager künftig ausrichten müssen: „Die Taxonomie läuft auf Klimaneutralität bis 2050 hinaus – und das ist durch Artikel 9 eher gewährleistet.“

Ein drohender Renditeverzicht ist das zweite Argument gegen Artikel-9-Fonds, das am Markt immer wieder genannt wird. „Bei der E-Taxonomie kann man nur Gebäude kaufen, die beim Primärenergiebedarf zu den 15% der energieeffizientesten des deutschen Gebäudebestands gehören“, holt Ramin Rabeian, Managing Partner beim Investmentmanager Montano, aus. Weil man dann nur Neubauten und durchsanierte Objekte kaufen dürfte, ginge Artikel 9 „zulasten der Rendite. 4% auszuschütten – so wie wir uns das für unseren Büro-Spezialfonds Montano Public Sector Fund I vorgenommen haben – wäre unter diesen Umständen schwierig.“ 50, eher 100 Basispunkte, so schätzt Rabeian, könnte ein Artikel-9-Konzept kosten.

Das Argument, Impact koste automatisch Rendite, ärgert Next-Generation-Gründer Ressel: „Das glauben viele institutionelle Anleger. Aber Artikel 9 ist kein Renditekiller. Wir schütten 4,5% Cash on Cash auf ein ca. 300 Mio. Euro großes Bestandsportfolio aus.“ Auch Palmira will den Beweis antreten, dass Artikel 9 keine Rendite kostet. Das Unternehmen kalkuliert mit einer Ausschüttungsrendite von 4% – was angesichts der aktuellen Kaufpreise für Logistikimmobilien sehr sportlich ist. Der Assiduus-ESG Urban Office I peilt 5% laufende Ausschüttung in der Haltephase bzw. mehr als 6,5% Gesamtrendite (IRR) an – auch nicht gerade ein karger Zins.

Nuveen rechnet trotz geringerer Mieten mit einer für Wohninvestments „marktüblichen“ Rendite, sagt Volksheimer, was auf 3% bis 4% hinauslaufen dürfte: „Durch die Förderung liegen wir unterm Strich in line mit den Erwartungen von Investoren anderer Produkte.“

Auto: Harald Thomeczek

Drucken
Wir verwenden Cookies, um Inhalte, Funktionen und Anzeigen personalisieren zu können und die Zugriffe auf unsere Website zu analysieren. Bitte treffen Sie Ihre Auswahl, um den Funktions-Umfang unserer Cookie-Technik zu bestimmen. Weitere Informationen zu Cookies finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.